Brief an den ORF (27.2.2014)

 

 

Betrifft: ORF-Report vom 18.2.2014: Abwehrkampf ums "Österreichische"

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

als österreichischer Fachverband für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache begrüßen wir Medienberichte zum österreichischen Deutsch und zur Plurizentrik der deutschen Sprache, die dieses Thema seriös und fundiert auch für ein nicht-wissenschaftliches Publikum aufbereiten. Doch davon kann in Ihrem Beitrag in der Sendung Report vom 18.2.2014 keine Rede sein. Schon der Titel macht klar, dass hier nicht Ergebnisse langjähriger wissenschaftlicher Forschung wiedergegeben und diskutiert werden, sondern dass um der billigen Effekthascherei wegen nationalistische Engstirnigkeit bedient wird. Aus fachwissenschaftlicher wie auch aus sprachenpolitischer Perspektive ist dieser Beitrag in mehrfacher Hinsicht nicht nur oberflächlich und unseriös, sondern äußerst bedenklich. Daher legen wir Wert auf folgende Klarstellungen:

 

1. Es gibt keine Sprache, die "Österreichisch" genannt wird, wie der Titel des Beitrags nahelegt. Deutsch ist eine plurizentrische Sprache, deren standardsprachliche Varietäten prinzipiell gleichwertig sind. Die Standardsprache, die in Österreich verwendet wird und etwa durch das Österreichische Wörterbuch festgelegt wird, heißt "österreichisches Deutsch".

 

2. In der Diskussion um das österreichische Deutsch ist von zentraler Bedeutung, zwischen Standardsprache und Dialekt zu unterscheiden. Viele Beispiele, die als "typisch österreichisch" gelten, sind umgangssprachliche oder dialektale Varianten, von "Gwand" über "Machma so!" bis "Bleampl" (siehe http://blog.univie.ac.at/austriazismen-und-so-weiter/).

 

3. In dem kurzen Beitrag werden unverhältnismäßig lange Ausschnitte aus einem Kabarettprogramm Severin Groebners gezeigt, über deren Unterhaltungswert sich streiten ließe - ihr Informationswert ist jedenfalls gleich null. Jede seriöse Aussage - so sie überhaupt in Ihrem Beitrag Platz findet - wird dadurch konterkariert und abgewertet. Wenn der journalistische Horizont am Rand der Kabarettbühne endet, ist offensichtlich auch nicht zu erwarten, dass Wissenschaft ernst genommen wird.

 

4. In Ihrem Beitrag weisen Sie auf eine "Studie der Universität Wien" hin, ohne das Forschungsprojekt "Das österreichische Deutsch als Unterrichts- und Bildungssprache" konkret zu nennen und dessen Leiter, Univ. Prof. Dr. Rudolf de Cillia, oder andere namhafte Experten und Expertinnen zu Wort kommen zu lassen. Die Tendenz Ihres Beitrags widerspricht grundlegend den Zielen dieses Forschungsprojekts wie auch anderer wissenschaftlicher Arbeiten, die in den letzten Jahrzehnten zu Deutsch als plurizentrischer Sprache international entstanden sind.

 

5. Die Diktion Ihres Beitrags ("Abwehrkampf") ist äußerst bedenklich und hat nichts mit wissenschaftlicher Forschung und einer ernsthaften Auseinandersetzung mit sprachlicher Vielfalt zu tun. Stattdessen bedienen Sie nationalistische und bornierte Denkmuster und Tendenzen der Sprachbewahrung und Sprachreinigung, gegen die es entschieden und auf der Basis fundierter Forschung aufzutreten gilt. Das von Ihnen erwähnte Forschungsprojekt zum österreichischen Deutsch unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Rudolf de Cillia oder die Forschungen Dr. Jutta Ransmayrs haben ganz und gar nichts mit derartigem Denken zu tun.

 

6. Dass eine Aussage wie jene Prof. Dr. Rudolf Muhrs, es gelte darauf zu achten, Germanistik-Professuren nicht nur mit Deutschen zu besetzen, in Ihrem Beitrag unkommentiert und unwidersprochen bleibt, ist skandalös. Sie ist rassistisch, bedient Deutschenfeindlichkeit und widerspricht den Leitideen einer internationalen Universität wie jener Wiens ebenso wie europäischen Grundhaltungen.

 

Als österreichischer Fachverband für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache treten wir für eine seriöse und wissenschaftlich fundierte Beschäftigung mit dem österreichischen Deutsch und ganz allgemein mit sprachlicher Vielfalt ein und lehnen jede Form von sprachlichem Nationalismus und von Sprachpurismus ab, wie sie in Ihrem Beitrag leider bedient werden. Ernst zu nehmender Journalismus sieht anders aus als Ihr Bericht. Wir bedauern, dass dafür kein Platz in dieser Sendung des Report war.

 

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