Stellungnahme zu den Lehr- und Lernbedingungen in AMS-Deutschkursen (19.04.2016)

Den Österreichischen Verband für Deutsch als Fremd-/Zweitsprache (ÖDaF) erreichen immer massiver Meldungen über teilweise inakzeptable Zustände rund um die Deutschkurse für Geflüchtete, insbesondere jene, die von AMS-Kursträgern abgehalten werden.

Den Österreichischen Verband für Deutsch als Fremd-/Zweitsprache (ÖDaF) erreichen immer massiver Meldungen über teilweise inakzeptable Zustände rund um die Deutschkurse für Geflüchtete, insbesondere jene, die von AMS-Kursträgern abgehalten werden.

 

Diese Beschwerden kommen aus verschiedenen Richtungen: von Lehrenden, von Lernenden, von Organisationen und von Personen, die Geflüchtete auf ihrem Weg in die österreichische Gesellschaft betreuen.

 

Generell stehen im Zentrum dieser Beschwerden einerseits die langen Wartezeiten auf Sprachkursplätze und andererseits die teilweise inakzeptable Qualität von Sprachkursen, sowohl für die Lernenden als auch massiv für die Lehrenden.

 

Wir haben Hinweise von Lehrenden erhalten, die bei vorwiegend privaten zertifizierten Kursträgern unterrichten und die von Unterrichtsverpflichtungen im Ausmaß von bis zu 45 Einheiten pro Woche berichten. Es ist bei diversen großen Kursveranstaltern die Regel, de facto weder Vor- noch Nachbereitungszeiten einzurechnen, sodass die vertraglich vorgesehene Wochenstundenanzahl ausschließlich aus Unterrichtszeit besteht. Dies widerspricht zumindest auch den Richtlinien des AMS Wien zur Qualität von Bildungsangeboten, in denen „eine ausreichende, auf das jeweilige Bildungsangebot abgestimmte, Vor- und Nachbereitungszeit“1 für alle TrainerInnen gefordert wird. 

 

Die Qualifikationsvoraussetzungen des AMS, um Kurse als DeutschtrainerIn abhalten zu können, sind äußerst problematisch: Eine Ausbildung in DaF/DaZ wird nicht vorausgesetzt, bei einzelnen Kursträgern ist in Inseraten (Beilage)2, 3 zudem explizit festgehalten, dass „keine Erfahrung erforderlich“ ist.

 

Resultate sind Kurse im Fließbandverfahren, in denen weder vor- noch nachbereitet wird und eine individuelle Abstimmung auf die Bedürfnisse der Lernenden völlig unmöglich ist.

 

Uns wurde ebenfalls berichtet, dass – bedingt durch die lange Wartezeit auf Anschlusskurse – TeilnehmerInnen wieder auf jenes Sprachniveau eingestuft werden, das bereits erfolgreich absolviert wurde. Dies ist Konsequenz eines Lernens, dessen Resultate nicht nachhaltig gesichert sind, sondern sich auf das Hinlernen zur Prüfung konzentrieren und der zu langen Wartezeit bis zum nächsten Kurs, in der teilweise wieder das verloren wird, was zuvor gelernt wurde.

 

Da die Bedingungen bei einzelnen Kursträgern derartig schlecht sind, wandern qualifizierte Lehrende sofort ab, wenn sich bessere Arbeitsplätze finden. Unterrichtsverpflichtungen, die mehr als das Doppelte von dem betragen, was in Schulen üblich ist – dies bei einer schlechteren Bezahlung – führen zwangsläufig dazu, dass der Unterricht zunehmend von unqualifiziertem Personal abgehalten wird bzw. die Kursträger systematisch auf Lehrende zurückgreifen, die weder eine Ausbildung in Deutsch als Zweitsprache vorweisen können noch jenes landeskundliche Wissen mitbringen, das unabdingbarer Bestandteil eines jeden guten Sprachkurses zu sein hat. Jene Inhalte, die derzeit in „Wertekursen“ vermittelt werden sollen, könnten unter seriösen Bedingungen in viel umfangreicherer Weise und methodisch-didaktisch so aufbereitet werden, dass eine sinnvolle Auseinandersetzung, fußend auf migrationspädagogischen Erfordernissen und Erkenntnissen, möglich ist.

 

Stattdessen wird, wie das beiliegende Arbeitsblatt (Beilage)3, das in AMS-Kursen offensichtlich zum Einsatz gekommen ist, zeigt, auf Methoden zurückgegriffen, die sich seit vielen Jahrzehnten als ineffizient herausgestellt haben, mit „verstecktem Lehrstoff“ („heimlicher Lehrplan“), der diametral dem gegenüber steht, was inhaltliches Ziel eines jeden Sprachunterrichts sein müsste. Die Reaktion seitens des AMS Wien, an das das Arbeitsblatt geschickt wurde, beschränkt sich auf die aus unserer Sicht völlig unzureichende Reaktion, dass die Unterrichtsmaterialien „Gender- und Diversity-Grundsätzen“ zu entsprechen hätten. (Beilage)3

 

Der ÖDaF fordert schon seit geraumer Zeit, dass bestimmte Qualitätsstandards einzuhalten sind, um seriösen und nachhaltig wirksamen Sprachunterricht zu ermöglichen. Ohne entsprechende Rahmenbedingungen für und fachliche Anforderungen an Unterrichtende hat Qualität im Sprachunterricht keine Chance. Wenn seitens der Politik und Gesellschaft die Erwartung besteht, dass Sprache als wichtigste Voraussetzung für Integration gilt, dann sind aus dieser Anforderung auch die entsprechenden Schlüsse zu ziehen: Wir benötigen Lehrende mit einer akademischen oder dieser gleichwertigen Ausbildung in Deutsch als Zweitsprache.

 

Die Unterrichtsverpflichtung darf über maximal (!) 25 Wochenstunden (bei einer Vollzeitanstellung) nicht hinausgehen, sodass Zeit für Vor- und Nachbereitung bleibt und administrative Aufgaben nicht während des Unterrichts erledigt werden müssen, eine Bezahlung, die sich an den Gehältern in Schulen orientiert und laufende Qualitätskontrollen durch den Auftraggeber (AMS), die über die Statistik der Prüfungserfolge hinausgehen.

 

Falls gewünscht, steht der ÖDaF mit seiner Expertise jederzeit in beratender Funktion zur Verfügung.

 

Der ÖDaF-Vorstand 

 

Dr.in Sabine Dengscherz (Präsidentin)  
Dr.in Doris Reininger (Vizepräsidentin)  
Mag. Denis Weger MA. (Kassier)  
Mag.a Lydia Moschinger (Kassierstellvertreterin)  
Mag.a Anne Pritchard-Smith (Schriftführerin)  
Mag.a. Sandra Reitbrecht (Schriftführerinstellvertreterin) 
Kevin Perner MA. BA. (Kooptiert für den Bereich Sprachenpolitik)

 

Download pdf-Version dieser Stellungnahme inkl. der Beilagen

 


1 AMS Wien: Infoschreiben Qualität von Bildungsangeboten im Auftrag des AMS Wien. – März 2014. S. 2. Online unter: http://www.ams.at/_docs/900_infoschreiben_qualitaet_von_bildungsangeboten_im_auftrag_des_ams_wien.pdf  [Zugriff: 19.4.2016]

2Es ist zudem äußerst befremdlich, dass in den Stelleninseraten Leistungen seitens des Arbeitgebers versprochen werden, die nicht eingehalten werden. Ein Beispiel sind „attraktive Sozialleistungen“, die es, wie uns von Lehrenden versichert wurde, nicht gibt.

3 Die Beilagen finden Sie in der pdf-Version dieser Stellungnahme.

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